Kambodscha. Was kommt einem da als erstes in den Sinn? Wahrscheinlich 99% aller Leute Khmer Rouge und Angkor Wat. Mir jedenfalls ging es so. In den letzten zwei Wochen sind noch zusätzliche Stichworte dazu gekommen. Allen voran Korruption. Obwohl auch Myanmar und Laos ein grosses Ausmass an Korruption vorzuweisen haben, so war ich persönlich als Tourist noch nie direkt davon betroffen, habe noch nie jemanden darüber öffentlich reden gehört und sah die Auswüchse noch nie so offensichtlich auf den Strassen eines Landes. Den ersten Vorgeschmack der unverhohlen korrupten Beamten erhielt ich gleich am südlichen Grenzübergang von Laos nach Kambodscha. Nach ein paar entspannten, letzten Tagen auf den laotischen 4000-Islands ging es am 2. Januar auf Richtung Kratie, ein Ort in Kambodscha bekannt für seine Flussdelfine. Als erstes musste ich an der laotischen Grenze überrascht feststellen, dass die Beamten für den Austrittsstempel zwei Dollar verlangten. Wie bitte? Wo steht denn das geschrieben? Natürlich nirgendwo. Um so überraschter war ich, als dass ich bei meinem Border-Run in Vientiane über die Thailändische Grenze 14 Tage vorher ausser dem Shuttle-Bus nichts berappen musste. Aber was bleibt einem anderes übrig, als zu bezahlen? Die schweizerische Botschaft anrufen und um Hilfe bitten könnte man wahrscheinlich als unverhältnismässige und sinnlose Reaktion bezeichnen. Hilfesuchende Blicke zu anderen Touris werden mit einem Achselzucken beantwortet. Na, dann halt… Ich bezahle zähneknirschend meine zwei Dollar und ziehe frustriert von dannen. Auf einer holprigen Teerstrasse geht es Richtung Kampuchea. Dort wartet die nächste Überraschung. Oder besser gesagt Überraschung-EN. Auf der linken Seite der Strasse winken ein paar Uniformierte die Touristen zum Health Check. Ein fadenscheiniges Formular muss ausgefüllt werden, die Temperatur wird genommen und am Schluss darf man nochmals zwei Dollar hinblättern. Erst in Siem Reap finde ich durch das Franco-Italo Päärchen Veronica und Jeremy heraus, dass dies ebenfalls keine offizielle Prozedur ist. Die Leute sind wirklich kreativ hier, wenn es darum geht, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und Notsituationen werden schamlos ausgenutzt. Wie meine zum Beispiel. Nach dem falschen Health Check stelle ich mit Schrecken fest, dass es an diesem Grenzübergang keinen Bankomat gibt, wo ich die 35 USD für mein Visum abheben könnte. Einige mögen sich jetzt kopfschüttelnd fragen: "Natürlich nicht! Was denkt die sich denn?" Leider ging ich davon aus, dass hier eine ähnliche Infrastruktur bestehen würde, wie bei all meinen bisherigen Grenzübertritten. Meine Notreserve besteht einzig aus einem 50-er-Nötli, welches die kambodschanischen Beamten natürlich nicht akzeptieren wollen. Ich seh mich schon wieder 20 km zurückfahren, um das nötige Kleingeld zu besorgen. Bitte nicht! Die unfreundlichen Khmer-Beamten verweisen mich an einen 'Guide', der auf unserem Bus war und die Übertritte begleitet. Diesem muss ich zuerst meine Situation klar machen und dann per Oanda beweisen, dass der Schweizer Franken eine international anerkannte Währung ist, die momentan 1:1 im Verhältnis zum US-Dollar steht. Hilfsbereitschaft hat hier leider immer seinen Preis. Und der liegt diesmal bei 13 CHF. Sprich der Guide nimmt meine 50 CHF und ich bekomme dafür das Visum für 35 USD und noch 2 USD Cash, die ich raushandeln konnte. Zuerst macht er noch ein Theater, weil das Nötli einen klitzekleinen Riss hat. Die Leute hier sind besessen davon, dass Fremdwährungen in einem einwandfreien Zustand sein müssen. Leicht gereizt versuche ich ihm zu erklären: "You can go to any bank and they will exchange it against USD, 1:1. This little tear ist not going to be a problem!" Er darauf: "There is no bank here at the border..." – "Are you serious?", frag ich ich ihn ungläubig. "You don't live here at the border, do you, and certainly come across a bank if not today then tomorrow". Manchmal hat man echt das Gefühl, die Leute halten einem für komplett hirntot. Fakt ist aber: Ich bin auf den Typen angewiesen und habe keine valable Alternative an diesem gottverlassenen Grenzübergang. Ein weiteres Zeichen für die überbordende Korruption, bekomme ich in Mondulkiri zu sehen. Ich verbringe ein paar Tage in dem Gebiet um Sen Monorom, um in den Wäldern Trekken zu gehen und das Elephant Valley Project zu besuchen. Es ist nicht zu übersehen, wie auf vielen Quadratkilometern ganze Waldstücke verschwunden sind. Zurück bleiben Grasnarben, verkohlte Landstücke. Eigentlich sind sämtliche Konzessionen seit 2002 eingefroren, aber diese Massnahme wird umgangen, indem einerseits der illegale Holzschlag in geringem Mass weitergeht und andererseits Bewilligungen für Cash-Crop-Plantagen beantragt werden, die ungenutzt bleiben und nur als Vorwand für einen Kahlschlagg gebraucht werden. Korruption und Selbstbereicherung einflussreicher Beamter oder von Mitgliedern der Militärführung sind einmal mehr Teil des Problems. Das wird auch in den Strassen von Phnom Penh offensichtlich. Noch nie habe ich eine solch grosse Dichte an Range Rovern und Lexus-SUVs in einer Stadt gesehen. Nein, auch in Zürich nicht. Aber überraschen tut es hier keinen. Und einer spricht ganz offen darüber, was hier nicht ungefährlich ist. Dr. Beat Richner, auch bekannt als Beatocello, oder federführender Arzt der Kantha Bopha Kinderspitäler in Phnom Penh und Siem Reap. Mutig spricht er an seinem all-samstäglichen Konzert und Infoveranstaltung über die uferlose Selbstbereicherung und das Verschwinden von ausländischer Entwicklungshilfe in die Taschen der Regierung und deren Angestellte. Und Entwicklungshilfe wird hier reichlich geleistet. Nirgends habe ich bis jetzt eine solch starke Präsenz internationaler Hilfsorganisationen gesehen. Und mich gefragt, wieso niemand von deren Seite ernsthaft sicherstellt, dass die Gelder am richtigen Ort ankommen. Wie kann es sein, dass ein Land, das seit Jahrzenten jährlich 600 Mio. USD offizielle Unterstüzungsgelder erhält, in einem solch erbärmlichen Zustand ist? Gesundheits- und Bildungswesen sind ein Desaster, wenn man den Ausführungen kritischer Geister wie Richner und Co. Die Presse- und Meinungsfreiheit wird immer mehr mit Füssen getreten. Eine faire Rechtssprechung hängt mehr davon ab, wen man kennt und wieviel man bezahlen kann. Das Adoptionswesen hat sich anscheinend zu einem solch lohnenden Geschäft entwickelt, dass gewisse Nationen Adoptionen aus Kambodscha inzwischen verbieten. Illegale Landnahmen und Zwangsvertreibungen werden von der UN angeprangert. Und die Konsequenz? Nichts. Ach, doch. Eine Anti-Korruptions-Einheit der Regierung. Korrupte Regierungsmitglieder bekämpfen die Korruption – interessantes Konzept. Vor allem wie das von Statten gehen soll gemäss einem öffentlichem Papier der Regierung. Der Premier Hun Sen meint darin : "Fighting corruption is to make each individual not want to corrupt (education), can't corrupt (prevention), and dare not corrupt (law enforcement)." Der erste Punkt scheint mir in so fern interessant, als dass Korruption nach meinem Verständnis vor allem aus der Armut entsteht und Aufklärung sprich Education daran nichts ändern wird. Wieso nicht seinen Beamten Löhne zahlen, die ein Überleben ohne Zusatzeinkommen sicherstellen? Zum dritten Punkt zur Durchsetzung der Massnahmen lese ich da: 'It may request intervention and cooperation from armed force authority if necessary and is allowed to use guns in operations'. Ob das ein grundlegendes Umdenken der Gesellschaft bewirkt mag ich zu bezweifeln. Aber immerhin hat Kambodscha eine Anti-Corruption-Unit... Aber ansonsten hats mir hier gefallen :) Siem Reap und Angkor sind das Highlight, die Sichtung der Flussdelfine in Kratie waren berührend, die Elefanten in Mondulkiri beeindruckend und Phnom Penh – ist die Hauptstadt von Kambodscha.