Erstmal muss ich eines klarstellen: Ich bin keine Backpackerin – mehr. In Osaka habe ich mir am letzten Tag noch eine praktische Tasche mit Rollen gekauft, die ich seither bequem hinter mir her ziehen kann. Kein bachnasser Rücken mehr – zumindest nicht wegen des Rucksacks – und über Rückenbeschwerden muss ich mir auch keine Sorgen mehr machen. Sogar der Mammut-Rucksack hat darin noch Platz gefunden. Deshalb zähle ich mich nicht mehr zur Sparte der klassischen Backpacker. Und ganz ehrlich, wenn ich mich auf dem vollbepackten Boot von Koh Samui nach Koh Phangan rüber umschaue, weiss ich: Ich bin definitiv aus dem Backpacker-Alter raus. Meine Anwesenheit allein hebt den Schnitt hier um mehrere Jahre. Mag wohl auch damit zu tun haben, dass heute Abend die legendäre Full Moon Party auf der Insel steigt. Super Timing! Wenigstens ist das Orion Healing Center, wo ich die nächsten zehn Tage 'detoxe' und Yoga praktizieren will an der Nordwestküste. Nach meinem 3.5-stündigen Flug von Hongkong nach Samui, einer schweisstreibenden Bootsfahrt und einer noch schweisstreibenderen Taxifahrt (zu zwölft im Sammeltaxi mit dem Gepäck auf dem Dach) bin ich froh, als ich kurz nach 14.00 am Ziel ankomme. Der Himmel ist wolkenverhangen und das wird die nächste Zeit wohl auch noch so bleiben. Dominique aus Kanada heisst mich willkommen, zeigt mir mein bescheidenes Zimmer und übergibt mir den Detox-Juttesack mit begleitenden Instruktionen. Während ich mich danach erstmal in meiner Unterkunft einrichte, überkommt mich ein komisches Gefühl. Irgendwie erinnert mich die Situation an mein 10-tägiges Vipassana Schweige-Meditations-Programm, das ich im November 2011 in Chiang Mai gemacht habe. Das spartanisch eingerichtete Zimmer mit der offenen, kahlen Dusche und dem WC gleich daneben. Die eher grelle Beleuchtung. Wenigstens darf ich hier reden, lesen, schreiben und das Resort bei Bedarf verlassen. Und muss nicht um 04.00 jeden Morgen aufstehen... Aber ansonsten weiss ich genau so wenig, was mich erwartet. Das ganze Programm steht zwar detailiert in einem kleinen Büchlein beschrieben, aber wie der eigene Körper darauf reagieren wird, kann einem keiner im Voraus sagen. Ich habe vor über 10 Jahren mit Oli T. mal versucht eine Biota-Saft-Kur zu machen. Wir haben schön am Freitagabend mit der Vorbereitungsphase begonnen: Irgendeine zerstampfte Kartoffel und Tomatensuppe. Sprich gewärmter Tomatensaft und so hats auch geschmeckt. Trotz der drei Basilikumblätter, die man dazu tun durfte. Danach gabs nur noch Gemüsesäfte, Leinsamen und Tee in rauen Mengen. Also eigentlich bis Sonntagabend. Da hat Oli meine Wohnung an der Kanonengasse 31 verlassen, um auf geradem Wege nach Hause zu gehen. Das hatte er mir zumindest gesagt. Ein paar Stunden später hat er dann angerufen, um mir zu beichten, dass er jetzt im Bahnhofbuffet grad 'Ghackets mit Hörnli' verspiesen hätte und nun als Folge dessen unglaubliche Bauchschmerzen habe. Recht geschehen hats ihm ja schon ein wenig. Ich habs dann noch bis am nächsten Morgen durchgezogen. Aber da ich die vorgegebene Menge an faden Säften kaum runterbrachte, spielte mein Magen danach verrückt. Die Profis werden jetzt sagen, dass dies eben der Effekt der beginnenden Reinigung war. Mir schnurzegal – das wars dann. Ich habe nun die Hoffnung, dass es mir in dieser Umgebung leichter fallen wird. Denn ein Bahnhofbuffet hat es hier zum Glück weit und breit keines.
Heute ist mein dritter Tag 'on the island' und im Orion Healing Center. Ich habe bis jetzt ausser dem kleinen Resort und dem Dörflein an der Strasse oben noch nichts gesehen von der Insel. Aber eines wird einem hier ziemlich schnell klar: Auf der Insel wimmelt es nur so von Yogis, Meditationshungrigen, Hardcore-Veganern, Sinnsuchenden, Aussteigern und Burn-Out-Kandidaten. Innerhalb von 48-Stunden hab ich wahrscheinlich die ganze Palette schon getroffen. Da ist zum einen Dominique, die mich vorgestern empfangen hat. Sie ist Franco-Kanadierin und zuständig für die Bereiche Ernährungsberatung und Darmspühlungen. Sie zeichnet verant-wortlich für die 'Movie-Nights'. Wer sich nun Hollywood-Schnulzen à la 'Pretty Woman' vorstellt, der liegt falscch. An den Abenden werden grausliche Schlachthöfe mit leidenden Tieren und ähnlichem gezeigt, die einem das Fleischessen und den Konsum von sämtlichen Tierprodukten so richtig vermiesen sollen. Dem enstprechend gibt es hier im Orion Café auch nur veganes Essen. Dafür pilgern viele alternative Touris täglich her. Das Meiste gehört ausserdem in die Kategorie Raw Food sprich Rohkost. Die blonde Mandy mit der Batik-Leggins aus Deutschland hat sich nach ihrer Detox, die sie gestern beendet hat, nun von der Vegetarierin zur Raw-Food-Veganerin konvertieren lassen. Sagt sie zumindest. Ich bin beeindruckt. Für mich wär das eher nix, da ich Fleisch und Fisch halt einfach lecker finde. Man kriegt diese Produkte bei uns ja auch aus mehr oder weniger 'tiergerechter' Haltung heutzutage. Dann gibt es die Kategorie der Sinnsuchenden. In die Kategorie würd ich auch die Burn-Out-Touristen einbuchen. Der Job hat die Leute nicht glücklich gemacht (huch, bin ich das?) oder gar ausgebrannt. Eine Auszeit ist angesagt. Da ist zum Beispiel Julia, auch aus Deutschland, die ihren Job verloren hat, nachdem sie kurz davor stand, auszubrennen. Mit der Abfindung, die sie sich erstritten hat, möchte sie sich nun sechs bis achte Monate Reisen finanzieren. Und vielleicht in der Zeit auch noch den Traummann finden. Viel Glück! In der Dampfsauna habe ich heute noch Mimi kennengelernt. Halb Jordanierin, halb Lybierin ist sie in Grossbritannien aufgewachsen und hat vor acht Jahren eine eigene Firma in China gegründet. Irgendwas mit Qualitäts-Kontrolle für Hardware-Hersteller. Als sie mir erzählt, dass die Firma super lief, hab ich ihr das ohne den geringsten Zweifel geglaubt. Muss eine riesen Marktlücke sein im Land der aufgehenden Sonne, wenn man Stories von Leuten hört, die dort Business machen. Doch nach vier Jahren hatte sie ein Burn-Out. Daraufhin wurde der chinesische Boyfriend zum Teufel geschickt, die Firma verkauft und sie ist seither am reisen. Im Moment ist sie hier auf der Insel um ein Water-Detox zu machen, 28 Tage lang hat sie es durchgezogen. Lieber sie wie ich. Mir werden sicherlich die 11 Tage, inklusive Pre- und Post-Cleansing, reichen. Und da darf ich immerhin Fruchtsäfte und Tee trinken (nebst ekligen Kleie-Lehm-Drinks). Dann gibt es noch den etwas älteren Peter aus Santa Cruz, USA, der heute Abend zu Gast war wegen des leckeren Papaya-Salats. Er ist seit vier Monaten auf der Insel, hat sich ein Bungalow für 13'000 TBH monatlich gemietet (entspricht nicht ganz 400 CHF) und geht regelmässig ins Yoga in einem anderen Zentrum. Er empfiehlt mir, mal in The Dome vorbeizuschauen. Eine Sauna irgendwo im Hinterland mit einem Feuer davor, wo sich die yogabetreibenden, meditationserfahrenen, sinnsuchenden Touristen regelmässig treffen. Er erzählt mir und einer deutschen Besucherin, die er offenbar vom Dom kennt, von einer Lesung über Sexual Healing, die irgendwo dort stattgefunden hat. Danke nein, keinen Bedarf, denk ich mir nur. Und so treffe ich jeden Tag lustige, interessante, skurile und nette Menschen, mit denen ich mich unterhalte, Reisetipps abhole, meinen Besuch ankündige, falls ich mal in der Gegend wäre (die korsische Lehrerin Céline in Sri Lanka ist so eine Kandidatin) und einfach nur staunen kann, was es so alles an Lebenskonzepten gibt.
Heute war mein dritter Tag ohne feste Nahrung. Meine Tages-Highlights sind im Moment das Wasser von frischen Kokosnüssen. Die Low-Lights sind die zweimal täglichen 'Innenreinigungen'. Aber lassen wir das. Ich habe mir das Ganze ehrlich gesagt schlimmer vorgestellt, vor allem das Hungergefühl. Das liegt wohl primär auch an dem ekligen Detox-Drink, den wir uns hier fünf Mal am Tag selber mixen dürfen. Nebst Bentonit (Tonerde) mixt man Flohsamenschalen mit Wasser und schüttet sich das dann in Windeseile den Rachen runter. Da die Schalen im Wasser zu quellen beginnen, unterdrücken sie in einem gewissen Mass auch den Hunger. Praktische Sache ist das doch. Wenn's eben nur nicht ganz so erdig schmecken würde... Das wird dann über den ganzen Tag verteilt in Abwechslung mit Supplement-Kapseln eingenommen. So ist mein Tag von morgens um 07.00 bis abends um 20.30 durchgetaktet. Um 09.30 gibt es jeweils eineinhalb Stunden extra softes Yoga für die Detox-Leute. Das schöne dabei: Statt in einem stickigen Studio tummeln wir uns auf unseren Matten unter einem Palmdach direkt am Meer. Danach gibt's jeweils das Gruppen-Meeting bei der Saftbar mit Dominique. Zweck: Fragen und Klagen jeder Art können angebracht werden und Dominique nutzt die Gunst der Stunde, uns über Krankheiten und Seuchen zu informieren, die durch den Konsum von Tierprodukten entstehen. Momentan sind wir zu fünft, die sich dem Detoxen verschrieben haben. Da ist der überlegte Yogev, der israelische Manager einer Silberschmuckfabrik in Bangkok, der Veganer ist und nach neun Jahren wieder ins gelobte Land zurückkehren wird. Seine Frau und die vier Kinder sind bereits seit August dort. Der zweite Mann im Umzug ist der gutaussehende Klaus aus Dänemark. Der macht offenbar seit einiger Zeit eine gröbere Sinneskrise durch. Er reist seit drei Jahren in der Weltgeschichte herum, hat davor in Hongkong gewohnt und gemäss seinen Angaben 'a shit-load of money' gemacht. Dann hat er aufgehört zu arbeiten und ist seither auf der Suche nach etwas, nachdem wir wohl alle irgendwie streben. Einem Sinn. Sein Weg dorthin scheint über vielfältige Pfade zu führen. Nach Experimenten mit Schamanismus, Ayahuasca-Pflanzen in Peru und fünf Monaten Dauer-Yoga in Mysore, Indien, zieht er es jetzt anscheinend in Betracht, Breathtarianer zu werden. Also, jemand, der sich nur von Licht und Energie ernährt. Meine Mutter sagte schon immer, dass wir nicht von Luft und Liebe allein leben können. Licht und Energie scheinen mir irgendwie in die gleiche Kategorie zu gehören. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das genau funktionieren soll. Klaus wohl auch nicht, denn im Moment isst er immer noch schön brav seine Gemüsebrühe, die wir jeden Abend um 17.30 erhalten. Dann gibt es noch Estée, die französische ehemalige Tanzlehrerin, die ein Jahr in Australien als Ananas-Pflückerin verbracht hat und jedes dritte Englische Wort nicht versteht. Wie das möglich ist, ist mir auch ein Rätsel – natürlich auf einer anderen Ebene. Weiter ist da die junge, blonde Tonnelle aus Südafrika, die in Phuket an einer internationalen Schule Englisch unterrichtet. Ein nettes Mädchen, die immer irgendwie in einer anderen Sphäre zu schweben scheint. Und dann bin ja noch ich. Die, die sich drei Monate auf einer Velotour durch die USA vorwiegend von Junk-Food ernährt hat und sich jetzt mal so richtig durchputzen lassen will. Manchmal komme ich mir hier wie auf einem anderen Planeten vor. Im Gegensatz zu anderen Ferieninseln in Thailand, wo ich zuvor war, ist das hier mit Abstand die am abgefahrenste. Klar liegt es zum einen an dem Resort mit seinem Detox/Yoga/Reiki-&-Co.–Angebot, das solche Leute anzieht. Zum anderen scheint aber auch zumindest die nordwestliche Region der Insel ein Mekka für Esoteriker, Ernährungsfanatiker, Sinnsuchende und der Gleichen zu sein. Heute war ich nämlich das erste Mal am Strand bei uns um die Ecke. Ein himmlischer Ort, mit weissem feinen Sand, grün-blauem, klarem Wasser, nur eine Handvoll kleiner Bungalowresorts und fast keine Leute. Dorthin hab ich meinen Bentonit-Kanister, die Flohsamen und die grünen Kapseln geschleppt. Damit ich mal aus dem Orion Healing Center rauskomme und doch meinen 'Stundenplan' einhalten konnte. Dort bin ich mit Gary aus San Diego ins Gespräch gekommen. Gary scheint um die sechzig zu sein, braungebrannt wie ein Snickers-Schokoriegel und hier mit oder bei seinem Sohn. Ein Surf-Sonnyboy mit Rayban-Brille, wohl Mitte zwanzig. Gary macht klar, dass er quasi hier her kommen musste. Seine Familie befürchtet offenbar, dass der Stammhalter sich nach sechs Monaten Südostasien-Reisen vom erfolgreichen UCLA-Graduate zum verschrobenen, veganen Yogi entwickeln könnte. Als Familienoberhaupt soll Gary dem Sohn nun ins Gewissen reden. Ob das gut kommt – bin ich mir nicht sicher. Er erzählt mir begeistert vom The Dome – dieser Wald- und Wiesensauna mit Lagerfeuer, von der mir Peter vor ein paar Tagen erzählt hat – und meint, ich müsste das uuuuunbedingt mal machen. Ich werds mir überlegen. Auch am überlegen bin ich mir, die Zeit nach meiner Detox bis zu meinem Treffen mit Alice in Bangkok, hier zu verbringen. Ich habe mir ursprünglich überlegt, nach Phuket zu dislozieren, aber Koh Phangan scheint ebenfalls wunderschöne und vor allem weniger frequentierte Strände zu haben, ich kann noch weiter Yoga machen und falls ich doch etwas Rambazamba will, kann ich immer noch südlich nach Ban Tai/Ban Kai ausweichen – dort wo in der Nähe jeweils die Fullmoon Parties steigen. Ich hab ja noch ein paar Tage Zeit, mir die weiteren Pläne zu überlegen. Jetzt brauch ich erstmal genügend Schlaf, damit ich morgen fit fürs Yoga bin. In dem Sinne zum Abschluss ein Namaste an alle da draussen.
Nach fast drei Wochen auf Koh Phangan inklusive Detox-Programm gings gestern Montag in die chronisch Smog-überlastete Metropole Bangkok. Das letzte Mal war ich vor 10 Jahren hier, damals mit Simi und Denis. Es war ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg nach Hause vom Inselparadies Koh Chang. Von der Stadt selber haben wir damals nicht viel gesehen. Wir haben uns faktisch im Pathumwan Princess Hotel niedergelassen und uns zwischen dem hoteleigenen italienischen Restaurant und dem angrenzenden Mega-Shopping-Center MBK bewegt. Mit Oli T. hatte ich ein Jahr davor glücklicherweise etwas mehr von der Stadt gesehen. Aber eben – 10 Jahre ist's her. Ehrlich gesagt ist es fast, wie wenn ich nie zuvor hier gewesen wäre. Entlang der Sukhumvit Road gibt es inzwischen so unglaublich viele riesige Shopping-Tempel, dass Manhattan einem geradezu provinziell vorkommt. Man fragt sich jedoch, wer dort genau einkaufen geht – ausser uns westlichen Touris und gutsituierten Thais. Sowohl die europäischen Top-Design-Häuser als auch H&M, Zara & Co. sind fast ausnahmslos in jedem Komplex vertreten. Die Preise sind auf einem Niveau wie bei uns. Meine Yoga-Lehrerin Minh (ich habe in der Nähe meines Hotels das kleine Studio Yogatique ausfindig gemacht), eine Kanadierin um die 50, meint, dass viele Thais heute ähnlich hoch verschuldet seien, wie der Durchschnitts-Ami und sich vom Konsumwahn der hier herrscht, mittreiben lassen. Ein weiteres Zeichen, dass die Annäherung an westliche Standards stattgefunden hat: Starbucks hat auch hier unübersehbar unzählige Ableger etablieren können. Fakt ist, ich sitze grad in einem mitten in Chinatown, weils grad wieder mal in Strömen regnet. Ein kleiner Chai-Tee mit Sojamilch kostet hier stolze 105 TBH, sprich über 3 Stutz. Wo es noch 'thailändische' Preise gibt, ist in den lokalen Restaurants und Fressständen, die in den Strassen omnipräsent sind. Ich muss jedoch gestehen, dass ich bis jetzt ausser Früchten, Kokosnüssen zum trinken und einem Roti-Crêpe noch nichts essbares auf der Strasse gekauft habe. Wobei was 'essbar' ist, ja im Auge des Betrachters liegt :) Vieles, was hier angeboten wird, wurde entweder über Stunden zerkocht oder trockengegrillt. Anderes wird grosszügig in ranzigem Fett durchfrittiert. Gemeinsamkeiten: Alles hier hat sicherlich seit Tagen keinen funktionierenden Kühlschrank mehr von innen gesehen. Vitamine oder Nährstoffe sind in dem Essen definitiv keine mehr – dafür Kohlenmonoxid-Partikel vom Strassenverkehr. Bin ich etwas miesepetrig? Durchaus möglich. Das liegt wohl daran, dass ich immer noch im Detox-Bio-Vegi-Rohkost-Modus bin. In den letzten drei Wochen hab ich mich fast gezwungenermassen mit dem Thema 'Gesunde Ernährung' auseinandersetzen müssen. Die Ernährungsberaterin vom Orion Healing Center, Dominique, eine fundamentalistische Verfechterin der veganen Rohkost, hat mich mit Filmmaterial, Links zu wissenschaftlichen Studien und Buchtipps eingedeckt zum Thema. Und das hat wohl noch etwas seine Spuren hinterlassen. Ich habe seit drei Wochen kein Fleisch und Fisch gegessen und auf Eier und Kuhmilch so gut es ging verzichtet. Nicht, dass es mir schwergefallen wäre – eine Woche durfte ich ja sowieso gar nichts essen :) Aber Dokumentationen wie Fork over Knives, Earthlings, Got the facts on milk, Food matters und zahlreiche Studien vieler unabhängiger Wissenschaftler wie C. Campbell, Esselstyn oder McDougall geben einem schon zu denken. Ich bin ja tendenziell eher kritisch und ohne etwas mit eigenen Augen gesehen oder gelesen zu haben und nach den dahinterliegenden Fakten zu fragen, glaub ich so schnell nichts. Ich habe gerne Fleisch sowie jegliches Meeresgetier und liebe Milch, Käse und Joghurt. Aber wenn man der Wissenschaft Glauben schenkt, dann sind eben diese Dinge Schuld an unserer westlichen Gesundheits-Misère. Wieso wir bis anhin nichts davon gehört haben? Gute Frage. Erste Vermutungen: Viele von uns interessierts schlichtweg nicht genug, um sich aktiv zu informieren. Zweite Annahme: Es gibt genügend Interessensgruppen in der Lebensmittel- und Pharmabranche, die diese Fakten lieber unter den Tisch kehren oder diskreditieren würden. Wem soll man glauben? Am besten fragt man sich, wie so oft in solchen Situtationen, wo die finanziellen Vor- respektive Nachteile liegen. Ich weiss, dass jetzt viele die Augen verdrehen und denken: "Auf welchem Trip ist die denn...". Meine Worte – bis anhin. Aber als interessierter Erdenbürger sollte man sich mit diesem Thema zumindest einmal im Leben offen, neutral und ohne vorgefasste Meinung auseinander setzen. Denn was haben wir zu verlieren? Das zumindest hab ich mir gedacht, als Dominique mir all die Links, unter anderem zur China-Studie, geschickt hat. Das ist spannendes Zeug: Die grösste je durchgeführte Studie zu Ernährung und Einfluss derselben auf unsere Gesundheit mit rund 880 Mio. Chinesen. Das Ergebnis ist spannend, gefällt einem als Fleisch- und Milchproduktliebhaber aber wenig. Am Ende muss jedoch jeder für sich selber entscheiden, was er damit machen will. Wo ich stehe? Ich lese verschiedene Sachen zum Thema, suche auch kritische Quellen. Der Raw-Vegan-Kochkurs, den ich am Sonntag gemacht habe, hat mir einen Ansatz zu möglichen Alternativen aufgezeigt und hat meine Vorurteile gegenüber veganem Essen ('nur Rüebli und Selleriestangen knabbern')aufgeweicht. Ich mache mir Gedanken zur Praktikabilität in meinem Alltag. Und ich weiss nicht, ob ich langfristig wirklich auf Fleisch & Co. verzichten kann oder will. Ich will mir auch keinen Stempel aufdrücken lassen und mich zum einen oder anderen 'bekennen' müssen. Wir haben das ja gerne, wenn man sein Gegenüber kategorisieren, schubladisieren und einordnen kann. Ist irgendwie einfacher da berechen- und sanktionierbar. Wenn ich in ein paar Tagen finde, ich müsse jetzt doch ein vertrocknetes Hühnerbein aus der Strassenküche an der Ecke haben, dann will ich das können, ohne dass jemand sagt: 'Gsesch, ich hans ja gwüsst...' Und wenn ich zehn Jahre kein Fleisch essen würde, dann möchte ich auch dann noch eines Tages ein Steak im Restaurant bestellen können und nicht mit blöden Kommentaren rechnen müssen. Wo ich stehe? Keine Ahnung. Aber ich will mich kritisch mit dem Thema 'Was ist die bestmöglich Ernährung, die mich auf Dauer nicht krank macht und mir schmeckt?' auseinandersetzen. Und gewisse Fakten kann und will ich nicht mehr einfach ignorieren, nur weil sie unbequem sind. Hei, und wer glaubt, vegane Rohkost sei langweilig: Ich mach euch nach meiner Rückkehr eine leckere Schokoladen-Bananen-Torte, einen luftigen Erdbeer-Cheesecake oder eine sämige Schoko-Mandelmilch, die ihr nicht so schnell vergessen werdet. Und das einzig aus dem Grund, weil es so 'yummy' schmeckt :) Jetzt mach ich mich mal wieder auf den Weg in den Streetfood-Market von Chinatown, denn es hat aufgehört zu regnen. Ab Freitag werde ich die Strassen der Stadt dann mit Alice unsicher machen.
Seit gestern Abend bin ich zurück in Bangkok. Die letzten zwei Wochen mit Alice unterwegs sind wie im Fluge vergangen. Wir sind schwitzend in den Ruinen von Sukhothai herumgeradelt und gelaufen, haben Lichterschiffe am Festival Loy Krathong auf dem See ausgesetzt, sind nach Kanchanaburi mit dem Bus gefahren, um die Brücke am River Kwai (sprich 'Kuä') zu überqueren und den Hellfire Pass zu besuchen, wo rund 14'000 Australische, Britische und Niederländische POWs (Prisoner of War) im 2. Weltkrieg beim Bau der Death Railway unter den Japanern gestorben sind und haben schlussendlich erholsame Tage auf Koh Chang am Strand verbracht. Zusammen mit unzähligen russischen Touristen. Die Inseln in Thailand entwickeln sich offenbar immer mehr zu äusserst beliebten Urlaubszielen von russischen Touristen. Phuket als die absolute Nummer 1. Trotz vieler negativer Berichte auf Tripadvisor und direkt von anderen Reisenden, muss ich sagen, dass uns die Russischen Landsmänner und –frauen nie speziell unangenehm aufgefallen wären. Riesige Bierbäuche haben auch die Deutschen und besorgniserregende Sonnenbrände sind unabhängig von Nationalität weitverbreitet gewesen. Und ganz ehrlich, die Italiener hab ich weitaus lauter erlebt, wenn sie in Gruppen reisen – sprich mehr als zwei auf einmal. Morgen Samstag ist mein vorerst letzter Tag in Thailand. Ich bin nun seit dem 8. Oktober im Land und habe vor ein paar Tagen realisiert, dass meine Ausreise gemäss Stempel im Pass am 6. November erfolgt haben sollte. Ooppsy Daisy, sag ich da nur. Mal sehe, ob morgen Abend am Flughafen irgendjemand etwas dazu sagen wird. Ich bezweifle es stark. In Myanmar, meiner nächsten Destination, wäre mir da schon ein bisschen unwohler. Im Moment findet gerade der ASEAN Summit in Myanmar statt. Oder doch Burma? Man ist etwas unsicher bei der Frage. Myanmar ist der offizielle Name, den die Militärjunta 1989 eingeführt hat. Aung San Suu Kyi, die weltbekannte Oppositionsführerin der NLD (National League for Democracy) und ihre Anhänger nennen das Land weiterhin Burma. So auch Obama, der heute in Yangon angekommen ist und einen öffentlichen Auftritt mit Suu Kyi hatte. Frage mich, wie der Präsident von Myanmar dazu steht. Der war nämlich bei der Pressekonferenz, die auf CNN übertragen wurde, nicht anwesend. Je näher meine Einreise nach Myanmar kommt, desto mehr Gedanken mache ich mir über die Richtigkeit eines solchen Trips Gedanken. Zum einen schwärmen sämtliche Touristen von der ursprünglichen Schönheit des Landes. Man müsse unbedingt jetzt gehen, sagen alle. In ein paar Jahren, wird viel davon verloren gegangen sein, wird einem weissgemacht. Die Freundlichkeit der Burmesen wird angepriesen und dass man als Ausländer nicht das Gefühl habe, dass man über den Tisch gezogen werde. Ausser von der Regierung, wie ich gehört habe. Man bezahlt anscheinend speziell hohe Touristen-Preise bei Sehenswürdigkeiten und auch auf regierungsbetriebenen Transportmitteln wie Booten oder Zügen. Und da kommt meiner Meinung, das grosse Fragezeichen, ob der richtige Zeitpunkt für eine solche Reise gegeben ist. Obwohl sich das Land gegenüber dem Ausland geöffnet hat und die einfliessenden Dollars von der Regierung, und natürlich auch von der Bevölkerung gerne gesehen sind, scheint politisch noch vieles im Argen. Es sind vier Jahre seit der Öffnung vergangen und jedem ist klar, dass eine Staatsmacht, die über Jahrzehnte ihre Bevölkerung unterdrückt und gepeinigt hat, nicht in kürzester Zeit zu einer Vorbildsdemokratie übergehen wird. Aber aus den Aussagen der NLD und auch Obama wird klar, dass die Reformen beinahe zu einem Stillstand gekommen sind. Presse- und Meinungsfreiheit sind weiterhin kein Recht, dass der Bevölkerung garantiert wird. Ob die 'freien' Wahlen in 2015 ihren Namen verdienen, wird sich erst noch zeigen müssen. Zweifel gibt es anscheinend auf vielen Seiten. Von einem Rechtsstaat scheint Burma noch weit entfernt zu sein. Aber das ist China ja auch – meiner undisqualifizierten Meinung nach. Und dann ist da die momentane Krisensituation mit der muslimischen Minderheit der Rohingya. Diese werden im Norden von Myanmar von buddhisitischen Extremisten, inklusive Mönchen, verfolgt. Tote hat es auch schon gegeben. Ganz so harmonisch scheint auch in der Bevölkerung nicht ganz alles und man fragt sich, was die Regierung dazu beiträgt. Zum Schutz von Minderheiten jedenfalls nichts. Thailand fischt gerade täglich hunderte von Flüchtlingen von Booten in der Andaman Sea. Gehen oder warten, bis das Land sich auf einem klaren Kurs Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit befindet? Mein Flug ist morgen um 20.15 ab Don Muang Airport und ich werde euch wissen lassen, ob ich meinen Entscheid bereut habe.
Seit fünf Tagen bin ich nun in Chiang Mai. Und ich glaub, ich könnte hier noch Wochen bleiben. Nicht umsonst zählt diese Stadt im Norden Thailands zu den 'Most livable Cities in the World' und die Zahl der Expats beträgt rund 40'000. Wenn man bedenkt, dass Chiang Mai rund 140'000 Einwohner hat, eine beachtliche Zahl. Man muss den Ort einfach mögen. Man findet hier an jeder Strassenecke gemütliche Cafés und Restaurants mit leckerem Essen, herrlichen Smoothies und Säften. Wie wir 'Farangs' es eben mögen und eine schöne Abwechslung zu den vielen kahlen Strassenküchen des Landes. Und ich bin nach drei Wochen Myanmar, wohl besonders empfänglich für diese Art Etablissements. Für kreative Köpfe gibt es hier auch allerlei. Alleine in der Zeit, in der ich jetzt hier bin, finden mehrere Festivals statt. Die Chiang Mai Design Week ist mit Installationen, Workshops und Ausstellungen in der ganzen Stadt präsent. Das 15th NAP, ein kleines Kunst- und Handwerks-Festival etwas ausserhalb der Altstadt, findet gerade statt. Am Sonntag war ich am drei Tage dauernden Bike Festival, wo ich schöne Erinnerungen an meine US-Tour aufleben lassen konnte. Fahrradfahren ist sowieso ganz gross hier in der Gegend. Die hügelige Dschungellandschaft rund um die Stadt mit vielen Bergstrassen oder Off-Road-Möglichkeiten treibt die Bewohner und Touristen geradezu auf die Räder. So auch mich. Gestern Dienstag wollte ich es wiedermal wissen. Ich hab bei Chiang Mai Mountain Biking eine eintägige Velotour gebucht. Diesmal keine Sightseeing-Tour, die ein paar Stunden durch flache Reisfelder führt. Ich hab mich für Trip Nummer 11 entschieden: 90 km lang, wobei 50% Uphill sind. Das hab ich aber erst nach dem Trip gesehen… Ich wollte einfach mal wieder etwas auf dem Velo schwitzen und mich abstrampeln. Das hab ich dann auch gekriegt – und wie. Mir wurde bereits vor der Abfahrt um 09.30 klar, dass dies kein Zuckerschlecken werden würde. Mein Guide, Jay, ist ein Halb-Profi-Quadrathlet (Schwimmen, Laufen, Kayaken, Radfahren). Sein Kollege im Büro zeigt stolz all die Trophäen, die Super-Jay bereits gewonnen hat und informiert mich grinsend, dass dieser mit 17 km/h die Hügel raufbolzt und im Flachen bis 65 km/h auf den Tacho bringt. Na toll, das soll mich irgendwie motivieren?? Und dann ist da noch Paul aus Belgien. Ein junger Bike-Aficionado, der die Flandern-Rundfahrt von 250 km nachgefahren ist, Bike-Ferien auf Mallorca macht und sich beklagt, dass er seit drei Wochen nicht mehr auf dem Velo gesessen hat. Und dann bin da noch ich: Seit drei Monaten ausser unregelmässigem Hausfrauen-Yoga, ein paar Mal joggen in Japan und Hong Kong und drei Wandertagen in Burma mit Bauchschmerzen rein gar nix gemacht. Vielleicht hätt ich doch die halbtägige Stadt-Tour buchen sollen, denk ich mir kurz. Als es dann los geht und wir nach einer guten Viertelstunde den Stadtverkehr hinter uns lassen, weiss ich: Stadt-Tour wäre wohl besser gewesen. Die beiden Jungs radeln wie von der Wespe gestochen los und ich strample so gut und schnell es geht hinterher. Zwecklos. Ich habe keine Chance, mit den beiden auch nur annährend mitzuhalten. Bereits nach einer halben Stunde keuche und schwitze ich und mit Unbehagen denke ich an die Temperaturen, die noch um einige Grad steigen werden. Netterweise warten die beiden immer mal wieder auf mich. Nach rund 20 km warten dann die ersten Steigungen auf uns – rein geht's ins Maesa Valley. Und die Steigung hat es in sich. In den USA hab ich das vielleicht zwei oder drei Mal erlebt, dass die Strassen so steil über eine so lange Strecke waren. Oder ich hab's einfach verdrängt... Jay bleibt inzwischen immer in meiner Sichtweite und lässt sich regelmässig zurückfallen, um nach meinem Befinden zu fragen. Paul ist schon lange aus meinem Blickfeld verschwunden und wahrscheinlich schon auf dem Gipfel. Vor der letzten grossen Steigung vor dem Gipfel, zwingt mir Jay eine Pause auf. In einem kleinen Laden kauft er mir eine Pepsi und ich krame meinen Granola-Riegel aus dem Rucksack, den ich gestern im Shop des Pun Pun Veggie Restaurants gekauft habe. Der Schweiss brennt mir in den Augen und mein Shirt klebt mir am Oberkörper. Hätt ich doch die City-Tour gemacht… Aber ich wollte es so – wieder mal schwitzen und fluchen. Jay zweifelt offenbar, dass ich all die kommenden Steigungen alleine schaffen werde und präsentiert mir seine Abschleppvorrichtung: eine rote dünne Schnur, mit der er mich den Hügel hochziehen kann. So schlimm wird's schon nicht werden, denk ich mir und mein Stolz lässt es in dem Moment nicht zu, dass ich das Angebot auch nur Ansatzweise in Erwägung ziehe. Das ändert sich dann kurz vor dem Gipfel. Mein Hinterteil schmerzt vom schmalen, harten Sattel und mein Rücken tut weh von meiner gebückten, verkrampften Haltung. Die Sonne brennt unerbittlich auf mich herab, es ist inzwischen 12.00. Der Schweiss läuft mir unaufhörlich in die Augen und unter dem Helm muss es mindestens 100 Grad sein. Ich bin so langsam, dass ich mit Gehen sicherlich schneller wäre. Und dann in einer der letzten Kurven verliere ich die Balance und stehe mit meinem Velo zwischen den Beinen erschöpft am Strassenrand. Jay schaut mich mitleidig an und holt sein rote Abschleppschnur hervor: "Want some help?" – "Hell yes", ist alles was ich rausbringe. Stolz hin oder her. Es soll ja gemäss Jay noch zwei weitere, steilere, Stücke geben. Ohne Hilfe werde ich das nicht schaffen, das weiss ich. Und wenn nur in einer Zeit, die uns eine Rückkehr nach Chiang Mai vor dem Eindunkeln verunmöglicht... Also lass ich mich von meinem Guide die letzten 2 km den Hang hochziehen. Wobei ich immer noch kräftig mitpedalen muss, denn sonst würd es mit uns beiden rückwärts wieder den Hang runtergehen. Nach rund 15 km den Hügel rauf, kommen wir endlich auf dem Gipfel an. Eine herrliche Aussicht auf 1'600 Metern über Meer erwartet uns – und Paul. Der hat inzwischen sein völlig durchnässtes Sleep-Eat-Bike-Shirt gewechselt und ein paar Fotos mit seiner Riesenkamera von der Umgebung geschossen. Wenigstens kommt als nächstes eine Abfahrt von rund 7 km – nur dass es dann nochmals ein paar Kilometer mit etwa 16%-Steigung den Hügel rauf gehen kann. Ich habe mich inzwischen schon damit abgefunden, dass Super-Athlet Jay mich auch dort wird den Berg raufziehen müssen. Keine Ahnung wie er das schafft, aber er sieht das wohl einfach als eine weitere Trainingseinheit. Ich höre nicht mal einen einzigen Keucher. Um 15.00 sind wir dann an unserem Lunch-Spot angekommen und ich muss sagen Reis mit Gemüse hat mir schon lange nicht mehr soooo gut geschmeckt! Trotz meiner Langsamkeit schaffen wir es, kurz nach 17.00 in Chiang Mai zurück zu sein. Fazit: Meine Fitness ist definitiv am A****. Ich sehne mich nach meiner Joggingstrecke an der Sihl, meinem Rennvelo im Keller, das mich rund um den Zürichsee, über den Albis oder die Sattelegg trägt, nach Olive's Yogastudio, Tennis-Stunden mit Werner oder den Pseudo-Matches mit Fabienne und Käru, oder Längen schwimmen im überfüllten City-Hallenbad. Aber man kann nicht alles haben und so halte ich Ausschau nach Yoga-Klassen in jedem Kaff wo ich übernachte, miete mir Velos um Ortschaften zu erkunden oder buche Trekking-Trips in den Bergen. Man tut was man kann.